Dschuang Dsi: Zitat von Dschuang Dsi: Gebt auf die Heiligkeit, werft weg die

Gebt auf die Heiligkeit, werft weg die Erkenntnis, und die Welt kommt in Ordnung!


Dschuang Dsi

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Quelle: Dschuang Dsi: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland - Übersetzung Richard Wilhelm, Anaconda, Köln 2007, S. 130, Buch XI,2 - Die Not der Zeit, ISBN: 3866470835

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    1 Interpretationen zu “Zitat von Dschuang Dsi: Gebt auf die Heiligkeit, werft weg die

    1. Andreas Tenzer, Köln im November 2007

      Hier werden gleich zwei Werte, die vielen im Westen heilig sind, fundamental infrage gestellt. Dabei war der Taoist Dschuang Dsi alles andere als ein Fundamentalist. Im Gegenteil: Dieses Zitat ist eine klare Absage an jede Form des Fundamentalismus.

      Aber auch die meisten östlichen Lehren tun sich schwer mit dem radikalen Verzicht der Taoisten auf Wissens- und Wertesysteme jeglicher Art. Was würde wohl Seine Heiligkeit, der Dalai Lama, zu Dschuang Dsis provokanter Aufforderung sagen? Würfe er seine Heiligkeit weg, bliebe dann etwa nur ein profanes Lama übrig, das seine Erkenntnis in die Welt hinaus spuckt? Ich persönlich würde diese Frage verneinen, zumal auch die Taoisten nicht ganz ohne Werte auskommen. Inhaltlich unterscheiden sich nämlich die Lehren des Buddhismus im Allgemeinen – und die des Dalai Lama im Besonderen – gar nicht so sehr von dem, was Taoisten wie Laotse und Dschuang Dsi unter einem am Tao orientierten Leben verstehen. Der Hauptunterschied ist auf dem ersten Blick zwar nur ein formaler, aber dennoch von fundamentaler Bedeutung.

      Es geht prinzipiell um die Frage, ob das Tao – als universelles Schöpfungsprinzip, das alle wirkliche und mögliche Erkenntnis umfasst – selbst erkannt werden kann. Die Taoisten verneinen dies. Sie sagen, man könne das Tao zwar leben, jedoch niemals erkennen. Daraus ziehen sie die Schlussfolgerung, dass es für alle verbindliche Erkenntnisse und Werte nicht geben kann. Wer mit dem Anspruch der Heiligkeit auftritt, maßt sich ihrer Einschätzung nach an, als Einzelwesen die Weisheit des Tao in vollkommener Weise zu verkörpern. Dies sei aber nicht möglich, da das Tao weder heilig noch unheilig sei, sondern sowohl das Heilige als auch das Unheilige verkörpere, sowie das permanent sich im Fluss befindliche Spannungsfeld zwischen beiden Polen, was im Taoismus als Yin und Yang bezeichnet wird.

      Dschuang Dsis Aufforderung, Heiligkeit und Erkenntnis wegzuwerfen, ist der Appell, auf egozentrische Werte und Erkenntnisse zu verzichten und sich stattdessen der universellen Weisheit des Tao anzuvertrauen. Heilig und weise ist ein Mensch demnach nur, wenn er im Einklang mit dem Tao lebt und nicht der Versuchung erliegt, einen Teilaspekt des Tao auf seine Fahnen zu schreiben und diesen in Form einer allgemein verbindlichen Lehre für die ganze Wahrheit zu erklären.

      Damit die Welt in Ordnung kommt, muss nach Dschuang Dsi also nichts getan, sondern etwas unterlassen werden, entsprechend dem Prinzip des Wu wei. Wer darauf verzichtet, dem Tao seine subjektive Heiligkeit und Erkenntnis entgegenzustellen und sich ihm stattdessen freiwillig als Instrument zur Verfügung stellt – wie etwa die Geige dem Geiger – „tut“ alles, was notwendig ist, um die Welt in Ordnung zu bringen. Wer dagegen die Welt nach seinen eigenen Prinzipien ordnen oder gar retten will, bringt nicht nur andere, sondern auch sich selbst in Gefahr:

      «Unser Leben ist endlich; das Wissen ist unendlich. Mit dem Endlichen etwas Unendlichem nachzugehen, ist gefährlich. Darum bringt man sich nur in Gefahr, wenn man sein Selbst einsetzt, um die Erkenntnis zu erreichen.»

      Quellennachweis siehe Autor > Dschuang Dsi

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