Wilhelm Busch: Wilhelm Busch: Die Frage ist oft eine Mutter der Lüge.

Die Frage ist oft eine Mutter der Lüge.


Wilhelm Busch

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Quelle: Wilhelm Busch: Was beliebt ist auch erlaubt, Sämtliche Werke II, Bertelsmann, München, 4. Auflage 1988, S. 873, Aphorismen und Reime, ISBN: 3570030040 |

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    1 Interpretationen zu “Wilhelm Busch: Die Frage ist oft eine Mutter der Lüge.

    1. Andreas Tenzer, Köln im Februar 2010

      Wer jemanden nach der Uhrzeit fragt, wird selten belogen. Aber bereits eine Frage bezüglich der Urzeit kann jemanden in Verlegenheit bringen zu lügen, der den Ruf zu verteidigen hat, über ein breites Allgemeinwissen zu verfügen. Je einfacher und banaler die Frage, desto größer der Imageverlust, wenn man sie als „Experte“ nicht beantworten kann. Besonders Eltern kennen das Dilemma, wenn ihre Kinder sie etwas ganz Simples fragen, worauf sie keine Antwort wissen. Da ist die Versuchung groß, sich schnell etwas halbwegs Plausibles auszudenken.

      Die gebärfreudigsten Mütter von Lügen sind aber nicht die Wissensfragen, sondern Fragen, die im weitesten Sinne etwas mit Moral und Anstand zu tun haben. Diese stellen den Adressaten meist vor die Alternative, einen Makel, eine Verfehlung, eine Unterlassung zu bekennen, oder zu lügen. Hier eine kleine Auswahl „harmloser“ Fragen, wie sie täglich tausendfach gestellt werden:

      „Hast du dir die Zähne geputzt?“

      „Hast du deine Hausaufgaben gemacht?“

      „Liebst du mich noch?“

      „Meinst du das wirklich ernst?“

      „Wirst du das auch bestimmt nie wieder tun?“

      „Hast du wieder heimlich getrunken?“

      „Weißt du eigentlich, was du willst?“

      All diese Fragen haben Kontrollcharakter und beinhalten mehr oder weniger direkt eine Unterstellung. Trifft diese zu, dann steht der Befragte vor der Entscheidung, zu bekennen oder zu dementieren, das heißt zu lügen. Nur theoretisch ist eine Situation denkbar, in der Letzteres nicht die bessere Lösung wäre, nämlich wenn der Fragende mit einer ehrlichen Antwort angemessen umgehen könnte. In der Praxis ist dies aber deshalb nie der Fall, weil die Art der Fragestellung – oft noch durch einen inquisitorischen Ton verstärkt – die unreife Haltung des Fragenden entlarvt, der Offenheit einfordert, für die er selber nicht offen ist.

      Um jemandem eine „Offenbarung“ zu entlocken, müsste man dessen Verhalten verstehen können, unabhängig davon, ob es den eigenen Maßstäben entspricht, oder nicht. Das heißt nicht, dass man alles toleriert, sondern dass man das Verhalten des Anderen nicht persönlich nimmt, sondern als Ausdruck seiner persönlichen Situation.

      Mit dieser Haltung wird man auf Fragen verzichten, die Lügen provozieren. Stattdessen wird man eher nonverbal signalisieren, dass man weiß, was Sache ist, klar und deutlich aber unaufgeregt und unaufdringlich. Man wird sich darauf beschränken, durch die eigene Haltung und das eigene Verhalten dem Anderen einen Orientierungspunkt zu bieten, der mehr Kraft zur Veränderung enthält als tausend heuchlerische Scheinfragen, die in Wirklichkeit getarnte Kontrollabsichten und versteckte Vorwürfe sind.

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