Khalil Gibran: Füllt einander den Becher, aber trinkt nicht aus einem Becher

Füllt einander den Becher, aber trinkt nicht aus einem Becher.


Khalil Gibran

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Quelle: Khalil Gibran: Der Prophet, Walther, Zürich u.a., 1998, S. 29, ISBN: 3530100161

Übersetzung (engl.): „Fill each other’s cup but don’t drink from one cup.“, The Prophet, Khalil Gibran, Pan Books, 1993, S. 21

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    1 Interpretationen zu “Füllt einander den Becher, aber trinkt nicht aus einem Becher

    1. Wolfgang Schmidt, Stuttgart im April 2007

      Alles, was in uns steckt, drängt nach Entfaltung. Vieles können wir allein aus dem Reich der Möglichkeit in die Wirklichkeit überführen. Jeder Mensch verfügt aber auch über ein schlummerndes Potenzial, das wachgeküsst werden möchte. Für Freundschaften, Partnerschaften und Ehen gilt gleichermaßen: Ihre Qualität hängt wesentlich davon ab, in welchem Maße es den Partnern gelingt, sich gegenseitig das Beste herauszukitzeln. Solche Beziehungen sind gekennzeichnet von einem stetigen Wachstum, das die Gegenwart erfüllt und mit Vorfreude in die Zukunft blicken lässt. Füllen Menschen einander den Becher, dann gehen sie aus Krisen gestärkt hervor und brauchen keine Angst vor dem gemeinsamen Altern zu haben. Wie liebevoll gelagerter Wein gewinnt ihre Beziehung mit den Jahren an Reife, Tiefe und Persönlichkeit.

      Das Gegenteil ist der Fall bei Freunden oder Paaren, die aus einem Becher trinken. Sie gehen den Weg der künstlichen Angleichung und verlieren dabei ihre Persönlichkeit. Nur die Schnittmenge ihres Potenzials wird gelebt. So entsteht ein wachstumshemmendes, langweiliges Gebräu, und der Inhalt des Bechers schmeckt mit der Zeit immer bitterer und fader.

      Einander den Becher füllen, bedeutet wechselseitige Erfüllung – aus einem Becher trinken, Verzicht auf individuelle Entfaltung.

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