Robert Musil – Kurze Biografie
* 6.11.1880 in Klagenfurt – † 15.4.1942 in Genf
Robert Musil gehört zu den bedeutendsten deutschsprachigen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts.
Der Titel seines Hauptwerks, Der Mann ohne Eigenschaften, geht auf Meister Eckhart zurück, mit dem Musil die so seltene Mischung aus scharfem Realitätssinn und transrealer Mystik gemein hat.
Im Zentrum seines literarischen Schaffens steht der Versuch, die Spaltung des modernen Bewusstseins in eine innere und äußere Wirklichkeit zu überwinden. Musil stellt dem statischen Wirklichkeitssinn der realitätsgläubigen Macher einen offenen „Möglichkeitssinn“ gegenüber, der sich nicht auf die manifestierte Wirklichkeit beschränkt, sondern stets das in ihr latent implizierte Unmanifestierte im Auge behält.
Neben Philosophie und Psychologie studierte Musil auch Physik, was zu einer intensiven Beschäftigung mit der Quantenphysik führte. Deren These, dass ein Quant oder ein Photon im Zustand des Nichtbeobachtetseins offenbar reine Möglichkeit repräsentiert, die sich erst im Moment der Beobachtung festlegt, bietet nicht nur dem mystischen Realismus Musils, sondern der Mystik allgemein erstmals ein wissenschaftliches Fundament.
In den Dreißiger Jahren wandte sich Robert Musil, der noch im Ersten Weltkrieg als Reserveoffizier gedient hatte, von der Politik und auch weitgehend von der Öffentlichkeit ab. Die Epoche, in der er lebte, lässt sich historisch einteilen in Vorkriegszeit, Kriegszeit, Nachkriegszeit, Vorkriegszeit und Kriegszeit. So verwundert es nicht, dass der ebenso intelligente wie feinfühlige Robert Musil in der manifesten Wirklichkeit nicht den eigentlichen Sinn des menschlichen Daseins sehen konnte und wollte.
Um dem totalitären Inferno des materialistisch pathologischen Zeitgeistes nicht gänzlich zu erliegen, kam für Musil nur ein schwieriger Drahtseilakt infrage zwischen der zynischen Diesseitsanbetung der Realpolitik und der verblendeten Diesseitsflucht der moralisierenden Religionen. Mit der Präzision eines Wissenschaftlers und der Empathie eines Poeten schuf Robert Musil einen mystischen Realismus, in dem der Mensch gleichzeitig diesseits und jenseits von Gut und Böse gesehen wird, was sich besonders klar in Musils zahlreichen Definitionen des Moralbegriffs zeigt.
Eine zeitlose und allgemeingültige Moral lehnt Musil kategorisch ab. Jeder Augenblick im Leben eines Menschen habe seine eigene Moral. Deshalb kritisiert Musil den herkömmlichen Moralbegriff:
«Moral ist die Zuordnung jedes Augenblickszustands unseres Lebens zu einem Dauerzustand!» So wie Hegel die Wahrheit als unendlichen Prozess sah: «Das Wahre ist das Ganze.», ist für Musil auch die Moral ein Prozess, der von einem Augenblick zum anderen gleitet und nur vom Ende her zu beurteilen ist: «Nie ist das, was man tut, entscheidend, sondern immer erst das, was man danach tut!»
Zu vierzehn Musil-Zitaten liegen auf dieser Website Interpretationen vor.