Johann Wolfgang von Goethe – kurze Biografie
* 28.8.1749 in Frankfurt am Main – † 22.3.1832 in Weimar
Goethe gilt nicht nur als der bedeutendste deutsche Dichter, sondern auch als eines der größten Universalgenies aller Zeiten. Wie ein roter Faden zieht sich durch seine Werke der Gedanke, dass in der Natur ein transzendentes Prinzip wirksam sei.
Im Mittelpunkt steht der Mensch, der zwei Seelen in seiner Brust habe: eine von den Leidenschaften getriebene, irdisch-sinnliche und eine an der Ewigkeit orientierte, transzendente. Die wohl berühmteste Inszenierung dieses dialektischen Zusammenspiels ist Goethes Faust.
Da es an ausführlichen Goethe-Biografien im Internet nicht mangelt, möchte ich mich hier auf einen Aspekt beschränken, der mir für das Werk des großen Klassikers von zentraler Bedeutung zu sein scheint und wohl nirgends klarer zum Ausdruck kommt, als in dem folgenden Zitat:
«Willst du ins Unendliche schreiten,
Geh nur im Endlichen nach allen Seiten.»
Johann Wolfgang von Goethe, Sprüche, Werke – Hamburger Ausgabe Bd. 1, Gedichte und Epen I, 12. Aufl. München: dtv, 1981, S. 304
Diese beiden Zeilen sind programmatisch für ein Weltverständnis, das sinnlich-irdisch und geistig-transzendent zugleich ist. Für mich ist dies das Kennzeichen einer Klassik, die deshalb jederzeit modern ist, weil sie die Dialektik von Dualität und Einheit in den Mittelpunkt rückt. Um körperlich zu überleben, braucht der Mensch Physik, um geistig zu leben, Metaphysik. Der Begriff Metaphysik geht auf Aristoteles zurück, in dessen Werkausgabe die Schriften mit transzendentem Inhalt „meta ta physica“, das heißt nach den physikalischen Abhandlungen kamen, und zwar nicht im zeitlichen, sondern im räumlichen Sinne, da sie in seinem Bücherregal rechts neben den Büchern über Physik standen. Für Goethe galt – wie auch für die Größten unter den alten Griechen – der Grundsatz: Erforsche die Natur, und dann erst beschäftige dich mit den Dingen, die mithilfe der Naturgesetze nicht erklärbar sind.
Wie modern diese klassische Denkweise ist, zeigt die Quantenphysik, die die traditionelle Physik insofern ad absurdum geführt hat, als die Forscher dort, wo sie wahre Ordnung suchten, dem Chaos ins Auge schauten. Wohl nie zuvor in der Menschheitsgeschichte ist die Forschung dem, «was die Welt im Innersten zusammenhält» so nahe gekommen wie in der Quantentheorie. Teilchen und Wellen, Materie und Geist sind offenbar keine Gegensätze, sondern Resultate der Perspektive, die der Betrachter gegenüber einem Gegenstand einnimmt. Einige – wie der Quantenphysiker David Bohm und der Philosoph Krishnamurti – gehen so weit zu behaupten, dass die Unterscheidung zwischen dem Beobachter als Subjekt und dem Beobachteten als Objekt eine Illusion sei.
Goethe war sich der Einheit von Sein und Bewusstsein voll bewusst. Das folgende Zitat ist so zeitgemäß, dass es aus der Feder eines Quantenphysikers stammen könnte:
«Die Erscheinung ist vom Betrachter nicht losgelöst, vielmehr in die Individualität desselben verschlungen und verwickelt.»
Johann Wolfgang von Goethe, Maximen und Reflexionen, Werke – Hamburger Ausgabe Band 12, 9. Aufl. München: dtv, 1981, S. 435
Zu fünf Goethe-Zitaten liegen auf dieser Website Interpretationen vor.