Emile Michel Cioran: Geschwätz ist jede Konversation mit einem, der nicht gelitten hat.
Geschwätz ist jede Konversation mit einem, der nicht gelitten hat.
Emile Michel Cioran
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Quelle: Cioran: Die verfehlte Schöpfung, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2. Auflage 1981, S. 105, ISBN: 3518370502
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Cioran spricht hier nicht von einer leidvollen Erfahrung, die am darauffolgenden Tag bereits wieder vergessen ist, denn in diesem Sinne hat schließlich jeder Mensch mehr als ein Mal gelitten. Gemeint ist ein Leid, das den Menschen in seinen Grundfesten erschüttert, ihn an den Rand der Verzweiflung bringt. Die meisten Menschen versuchen sich vor einem solchen existenzbedrohenden Leid zu verbarrikadieren, was dieses jedoch nicht daran hindert, immer wieder erneut anzuklopfen.
Die einzige Möglichkeit, dieses Leid nicht direkt einzulassen, besteht darin, es nicht fühlen zu wollen. So kann man es sich wenigstens eine Zeit lang vom Leibe halten. Der Preis dafür ist eine schleichende Verkümmerung des Gefühls, bis schließlich Freude und Leid nur noch innerhalb einer engen Bandbreite empfunden werden können. Deshalb weiß, wer nie existenziell gelitten hat, weder was Freude noch was Leid ist.
Wer dagegen die Höllenqualen eines herzzerreißenden Leids durchlebt hat, bleibt empfänglich für die gesamte Palette menschlicher Gefühle von der höchsten Ekstase bis zum qualvollsten Schmerz. Gelingt es ihm dann noch, beliebige Gefühlszustände mit Gleichmut hinzunehmen, das heißt in der Ekstase den Schmerz und im Schmerz die Ekstase mitzufühlen, was wäre dann für einen solchen Menschen die Konversation mit einem gefühlsgestutzten Gegenüber anderes als sinnloses Geschwätz?