Johann Wolfgang von Goethe: Goethe Zitat: Höflichkeit des Herzens, der Liebe verwandt
Es gibt eine Höflichkeit des Herzens; sie ist der Liebe verwandt. Aus ihr entspringt die bequemste Höflichkeit des äußeren Betragens.
Johann Wolfgang von Goethe
Über Johann Wolfgang von Goethe, mehr Zitate von Johann Wolfgang von Goethe (260)
Quelle: Goethe: Die Wahlverwandtschaften - Hamburger Ausgabe, Band 6, dtv, München 1982, S. 397, II,5, ISBN: 3423590386
Bewertungen insgesamt:
✉ Dieses Zitat versenden
Die Höflichkeit des Herzens entspringt einer auf Selbstliebe gegründeten Liebe zur Schöpfung. Selbstliebe bedeutet, sich mit all seinem Licht und Schatten annehmen und herzlich umarmen. Die Haltung, die wir uns selbst gegenüber einnehmen, spiegelt sich in allem, was uns begegnet, besonders in der Kommunikation mit anderen Menschen. Können wir uns selbst ganz annehmen, ist die Folge eine natürliche Wahrnehmung und liebevolle Begrüßung des anderen als das, was es ist, sei es Stein, Pflanze, Tier oder Mensch.
Die Höflichkeit des Herzens zeigt sich vor allem darin, dass ein Mensch in seinem Denken, Fühlen und Handeln frei ist von hierarchischen Strukturen. Er schaut weniger auf das Trennende als auf das Verbindende. Sein Fokus ist auf das Sonnenhafte gerichtet, das in jedem Lebewesen latent oder manifest vorhanden ist, und das sich in jedem Akt des lichthaften Wahrnehmens und Wahrgenommenwerdens entflammt. Hierin unterscheidet sich die Höflichkeit des Herzens vom Zynismus des Zweifels, dessen schattenhaft fokussierter Blick zwanghaft auf das Dunkle im anderen gerichtet ist.
Aber auch von einer narzistischen Projektion des Lichthaften auf andere Wesen ist die Höflichkeit des Herzens zu unterscheiden. Idealisierungen und Verteufelungen sind gleichermaßen pathologische Formen von Wirklichkeitsflucht. Die im Herzen verankerte Höflichkeit basiert dagegen auf einer Grundhaltung, wie sie in der modernen Psychologie von Thomas A. Harris so formuliert wurde; „Ich bin o.k., Du bist o.k.“
Das „Bequeme“ dieser Haltung erkennt man leicht am Betragen der Menschen, die sie verkörpern. Sie erzeugen keine blockierenden Widerstände in der Kommunikation. Selbst die kritischsten Worte können freundlich aufgenommen und positiv verarbeitet werden, da die gegenseitige Wertschätzung jederzeit vorausgesetzt werden kann. Wo Höflichkeit des Herzens die Kommunikation regiert, da ist das „äußere Betragen“ von einer herzerfrischenden Offenheit geprägt.