Eine Interpretation zu “Dostojewski Zitat: Die einfachsten und klarsten Ideen

  1. Andreas Tenzer, Köln im April 2007

    Es gibt drei Hauptarten von Einfachheit. Die am weitesten verbreitete ist die dumme Einfachheit, auch Einfältigkeit genannt. Aus Mangel an Wissen, Differenzierungsvermögen und Urteilskraft neigen die Einfältigen zu verallgemeinernden Werturteilen nach dem Muster „Alle x sind y.“ wie etwa „Hartz IV-Empfänger sind faul“. Ein weiteres typisches Merkmal der Einfalt sind einfache Patentrezepte für komplexe Zusammenhänge wie etwa „Ausländer raus, und das Problem der Arbeitslosigkeit ist gelöst“.

    Während die dumme Einfachheit auf Mangel an Wissen beruht, basiert die naive Einfachheit auf Intuition. Ob eine Intuition richtig oder falsch ist, hängt wesentlich davon ab, aus welcher Quelle sie gespeist wird. Steht man in Verbindung mit einer höheren Intelligenz, die als innere Stimme stets die optimale Lösung bereithält, oder geht man seinen eigenen fehlgeleiteten Obsessionen auf den Leim? Kinder haben oft eine verblüffend gute Intuition, solange sie noch mit sich im Reinen sind. Wer sich dagegen im Zustand innerer Zerrissenheit befindet, kann sich auf seine Intuition nicht verlassen.

    Die dritte Form der Einfachheit ist die eines weisen Menschen. Es handelt sich dabei um eine aus Beobachtung, Reflexion und Intuition entstandene kristallisierte Einfachheit. Sie resultiert daraus, dass die in ihrer Komplexität wahrgenommenen Zusammenhänge auf die einfachste denk- bzw. kommunizierbare Form zurückgeführt werden. Diese Einfachheit können nur diejenigen verstehen, die durch die Komplexität hindurchgegangen sind, das heißt, weder vor ihr stehen geblieben (wie die Dummen) noch in ihr stecken geblieben sind (wie die Gelehrten).

    Da diese Form der Einfachheit eine Seltenheit ist, sind die einfachsten und klarsten Ideen für die gespaltene, unreflektierte Mehrheit schwer verständlich.

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